Die Frage nach der idealen Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und privatem Kapital für eine menschengerechte und lebenswerte Stadtplanung.
Das Quelle-Areal ist in aller Munde, weit über Nürnberg hinaus. Soll hier wieder ein Stück Architektur und Quartiersidentität ordinärem Mammon geopfert werden? Soll wieder einmal die Chance vertan werden, Stadtgeschichte als kontinuierliche Veränderung zu begreifen, aus der sich Quartiers- und Stadtidentität entwickeln kann?
Eine Frage der Mentalität
Subjektiv betrachtet haben wir in Nürnberg eine recht spezielle und vielleicht auch verfahrene Situation, eine die sich nicht mit einer gelösten Zukunft des Quelle-Areals beantworten lässt. Ob öffentliche Hand oder privates Kapital, beide tun sich damit schwer, eine brauchbare Zukunft zu ersinnen, und nicht nur das. Vielleicht hat die gesamte vierzehntgrößte Stadt Deutschlands wirklich einfach keinen Wunsch und keine Idee, was mit der Quelle passieren soll.
Kurzer Rückblick: nach der Pleite herrschte die große Leere auf dem Areal. Während konservative Strömungen den Abriss forderten, begann sich Kunsthandwerk, Design, Architektur, Proberäume, Studios und ähnliches in einigen der Räumen zu tummeln. Zwar im Vergleich zum verfügbarem Platz immer noch verschwindend wenig, aber es tat sich was. Wo Freiräume sind, sind Kunst und Individualismus nicht weit. Die Prozesse, die andernorts ganze Stadtteile in kürzester Zeit umwerten und entwickeln, begannen sich im kleinen Maßstab frei von Zwängen mit dem Quelle-Areal zu beschäftigen. Das passierte allerdings weitestgehend abseits der Wahrnehmung der breiten Öffentlichkeit und endete Ende 2015 mit der Räumung des Geländes.
Nun besitzt Nürnberg eine sehr eigentümliche Mentalität, die sich nicht zuletzt in der Architektur widerspiegelt. In der Stadt der engen Straßen und geduckten Häuser herrscht hohe bauliche Verdichtung. Es gibt wenig öffentlichen Raum und fast keine öffentliche Plätze die zum Verweilen einladen. Es gibt keine Flaniermeile fürs Sehen und Gesehenwerden. Schaut man sich Milieustudien an, dann konkretisiert sich das Bild. In Nürnberg sind die „Heimzentrierten“ deutlich häufiger vertreten als in anderen vergleichbaren Städten. Sie bilden neben den “Aufstiegsorientierten” die zweitstärkste Fraktion. Typische großstädtische Milieus wie die „Liberal Gehobenen“ oder die „Reflexiven“ existieren im Vergleich nur zu deutlich geringeren Anteilen. Für einen starken Anteil der Bevölkerung ist der öffentliche Raum schlichtweg Infrastruktur und kein Lebensraum den es zu gestalten gilt.
Mehr noch. Diskurse rund um das Thema Stadtentwicklung versickern oder kommen gar nicht erst hoch. Der Fränkische Stadtmensch interessiert sich für Urbanismus nur, wenn es um die Burg geht oder der Frankenschnellweg ausgebaut werden soll. Beispielsweise haben auch eingefleischte Interessenten der Materie wenig bis gar nichts von dem über neun Jahre laufenden Gemeinschaftsprojekt „Koopstadt“ der Städte Bremen, Leipzig und Nürnberg mitbekommen. Weder Projekte noch Ergebnisse wurden in die Bevölkerung getragen oder öffentlich diskutiert.
Nun ist das stadtentwicklungstechnisch resonanzarme Nürnberg mit der zweitgrößten Brache Deutschlands konfrontiert. Für die „Heimzentrierten“ währe es vermutlich voll in Ordnung, wenn sie ein weiteres Möbel- oder Autohaus bekommen würden. Um allerdings die “menschengerechte und lebenswerte Stadtplanung” zu ermöglichen, muss überhaupt erstmal der Diskurs um Bedürfnisse, die Wahrnehmung von urbanem Raum und die Öffentlichkeitsarbeit gestartet bzw. auch gewollt werden. Und das ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten einfach noch nicht passiert.
Der Bund Deutscher Architekten Bayern stellt in seinem Debattenmagazin BDAtalk in diesen Tagen die Frage nach der Zukunft des Quelle-Areals. Beziehungsweise nach der „idealen Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und privatem Kapital für eine menschengerechte und lebenswerte Stadtplanung„. Ein Dutzend Autoren aus unterschiedlichen Disziplinen stellen ihre sehr lesenswerten Beiträge auf der Plattform zur Diskussion, inklusive mir mit dem Text auf dieser Seite.