Urban Exploration wird in Nürnberg, wenn nicht gar in ganz Bayern etwas unzureichend betrieben. Bekanntere Protagonisten oder Publikationen dieser Szene oder dieses Betätigungsfeldes kann man mit der Lupe suchen. Das mag daran liegen, dass entdeckungswürdige Orte und Gebäude ziemlich aus dem öffentlichen Stadt- und Landschaftsbild verschwunden sind und sich somit nicht sonderlich viele Orte auftun um so ein Hobby überhaupt zu entwickeln oder aktiv betreiben zu können. Meine persönlichen Urban Exploration Aktivitäten sind hier im Blog dokumentiert und stießen recht bald an Grenzen. Geniale Areale wie der Milchhof am Wöhrder See sind verschwunden und bis auf das Volksbad scheint es nicht mehr sonderlich viel zu geben.
Aber wenn man so denkt, dann kennt man Danko nicht. Selbst der Ästhetik des Verfallenen verfallen stöbert er immer wieder interessante und vergessene Orte in Nürnberg und Umgebung auf. Fotos seiner Erkundungen werden über sein Blog und Flickraccount publiziert. Dazu gesellen sich dokumentarische Arbeiten über Abrissarbeiten und Stadtumgestaltungen und man erfährt von ihm viel über die Hintergründe zu solchen Bauvorhaben.
Grund genug ihm ein paar Fragen zu stellen.
Bitte stell dich kurz vor.
Hallo ich bin Jonathan, 24 Jahre alt und wohne seit etwa 4 Jahren in Nürnberg.
In meiner Freizeit fotografiere ich recht viel und arbeite in längeren Abständen immer wieder an meinem Blog.
Damit begonnen habe ich etwa vor 2 Jahren als bei mir in der Straße eine alte Fabrik abgerissen wurde. Es war die alte Fleischmann Fabrik in Johannis welche mir damals irgendwie besonders am Herzen lag. Das Gebäude war die erste Fabrikgebäude der Firma Fleischmann und strahlte eine tolle Atmosphäre aus.
Ich fand es von Anfang an faszinierend und wollte es zumindest auf Foto noch für die Zukunft erhalten. Mit dem bevorstehenden Beginn der Abrissarbeiten am alten Tuchergelände in der Nürnberger Nordstadt kam mir damals dann die Idee zu meinem Blog.Warum fotografierst du? Seit wann und welche Motive?
Ich fotografiere seit etwa 2 Jahren regelmäßig. Dabei haben es mir vor allem verlassene und dem Verfall preisgegebene Gebäude, die Architektur sowie Abriss- und Bauarbeiten besonders angetan. Ich fotografiere, weil es mir sehr viel Spaß macht und weil ich die Veränderung der Stadt und ihrer Gebäude dokumentieren und Vergessenes und Verborgenes zugänglich und erfahrbar machen möchte.Wann fotografierst du? Hast du genaue Vorstellungen, wartest du auf gewisse Situationen oder passiert es einfach?
Da gibt es keine feste Regel. Mal so, mal so. Tendenziell geh ich aber eher spontan auf Tour und lass mich vor Ort von der Situation überraschen.Viele deiner Fotos zeigen ein Bild von Nürnbergs Verfall, Abbruch, den vergessenen Orten aber auch von Erneuerung. Wie kommst Du auf diese Ansichten und warum?
Die Stadt befindet sich im stätigem Wandel, vieles verändert sich rasant und einmal Verschwundenes gerät schnell in Vergessenheit. Ich möchte mit meinem Blog und meinen Fotos ein Teil von Nürnberg dokumentieren den ich sehr spannend finde und hoffe das er so noch in vielen Jahren erfahrbar und erreichbar bleibt.Gibt es Fotografen die dich inspirieren oder beeinflusst haben?
Hm, gute Frage. Ich achte meisten nicht auf Namen, weshalb ich hier keine Fotografen nennen kann. Es gibt aber eine Menge Fotos die mich inspirieren und beeinflussen. Ich mag es sehr gern mich durch unterschiedliche Fotobücher oder Fotosets im Internet zu arbeiten und zusehen worauf andere Fotografen so achten und was und wie sie etwas zeigen.Möchtest du etwas mit deiner Fotografie erreichen und wenn ja, was?
Das sich Menschen in Zukunft sich ein gutes Bild darüber machen können wie sich bestimmte Gebäude, Orte oder Plätze im laufe der Zeit gewandelt haben und wie einzelne verschwundene Gebäude einmal im Detail mal aussahen.An welchen Projekten arbeitest du gerade?
Oh an viel zu vielen gleichzeitig …
Momentan ist die Situation so, das ich zwar sehr viel zum Fotografieren komme dafür aber weniger zum Schreiben und verarbeiten der Fotos.
Anfang August war ich in Barcelona unterwegs kurz vorher in Thüringen und im Juni habe ich alte Bunker und Wehranlagen aus dem ersten Weltkrieg in den Dolomiten besucht.
In Nürnberg beschäftigen mich momentan vor allem die Quelle, das Hotel Deutscher Hof, die Bunkeranlagen und noch ein paar kleinere Gebäude.
Online gibt es bisher aber nur einige Fotos von der Quelle.Auf welches Projekt oder auf welche Arbeit bist du besonders stolz?
Auf die Dokumentation der Tucherbrauerei in Nürnberg und die anschließenden Abrissarbeiten.
Über 1 Jahr war ich dort unterwegs und habe dabei sehr viel gelernt.
Eine Auswahl von Dankos Fotos
Quelle
Seit Februar bin ich regelmäßig in der Quelle und verbringe dort viel Zeit. Es ist ein spannender Ort an dem gerade viel Neues entsteht und passiert, voller Atmosphäre und Geschichten.
Vor wenigen Jahren noch Arbeitsplatz von über 7000 Menschen und jetzt ein Spielplatz für viele Junge Menschen.
Die Bilder oben sind im Mai entstanden als das Wetter gerade mies war und das Gebäude ziemlich surreal aussehen lies.
Gerade arbeite ich an einem Artikel für meinen Blog über das Gebäude.
Möbel Quelle
Nur einen Steinwurf vom Quelle Hauptversand entfernt stand bis vor kurzem die Möbel Quelle.
Das Gebäude alleine war nicht so spannend. Dafür aber die Geschichte des Grundstückes und der Abriss des Gebäudes.
Ich bin immer wieder von Abbrucharbeiten fasziniert.
Davon wie sich das Gebäude in kürzester Zeit verändert, wie die Dinosaurier ähnelnden Maschinen sich durch Gebäude fressen und von den Motiven die entstehen und nur für einen kurzen Moment bestehen bleiben.
Müll-Schwelbrennanlage
Ziemlich cooles Teil. Steht nach nur einem Jahr in Betrieb seit 1998 leer und rostet langsam vor sich hin.
Straßenbahndepot Muggenhof
Die Fotos zeigen 2 Hallen des ehemaligen Straßenbahndepots in Muggenhof.
Das unter Denkmalschutz stehenden Gebäude steht seit 2003 leer und zieht mich immer wieder an.
Beim Fotografieren dort begleitet mich immer ein Arbeiter der dort über 30 Jahre lang gearbeitet hat und eine Menge spannender Geschichten von dort zu erzählen hat.
Bunker unter der Stadt
Die Bunkeranlagen unter der Nürnberger Altstadt wirken oft surreal und lassen in einem immer wieder das Gefühl aufkommen auf einem anderen Planeten zu sein.
Total verrück, spannend, entspannend und beim Gedanken an deren Vergangenheit, auch mal bedrückend.
Bin immer wieder gerne dort.
Wasserturm der Tucher Brauerei
Neben dem Sudhaus, das einzigen was von der alten Brauerei übrig geblieben ist.
Er hat maßgeblich dazu beigetragen das ich meine Höhenangst überwunden habe unbehütet einen sehr schönen Ausblick auf Nürnberg.
Die Fotos oben zeigen den Turm nach dem Abriss der Brauerei. Innen entkernt wartet er nun auf einen neuen Anbau und seine Sanierung.
Tucher Brauerei
Seit nun bald 2 Jahren dokumentiere ich die Veränderungen auf dem Tucher Gelände und es zieht mich immer noch an.
Anfangs war es die Unberührtheit und die Ruhe auf dem Gelände die mich immer wieder anzog. Die Gebäude waren größtenteils noch voll eingerichtet und standen seit Jahren leer. Der Verfall der Gebäude war bereits weit fortgeschritten.
Ich kam mir manchmal vor wie auf einer Zeitreise oder einen verlassenen Planeten, wenn ich hier durch die Gänge und über das Gelände streifte.
Später brachten mich die Abrissarbeiten regelmäßig auf das Gelände und nun die Bauarbeiten welche weiterhin für einen stetigen Wandel auf dem Gelände sorgen.
Volksbad
Stadtbekannt und immer wieder interessant.
Zuckerbär
Hier hab ich mich auch gerne aufgehalten. Das ganze Areal war von Kletterpflanzen zugewuchert und wirkte sehr verwunschen.
Wie man auf dem Foto gut sehen kann war der Verfall der Fabrik damals bereits sehr weit fortgeschritten.
Auf dem Gelände entstehen momentan Wohnhäuser.
Mehr Fotos von Jonathan Danko gibts auf seinem Flickraccount und zusammen mit hintergründigen Informationen in seinem Blog.
Danke fürs Interview! :)
Update
Das hier angesprochene Blog von Danko existiert nicht mehr. Dafür wurde aber ein neues und sehr sehenswertes Projekt mit dem Namen Delve gegründet.