Longyearbyen (Spitzbergen) Impressionen im Sommer

Blick über Longyearbyen
Blick über Longyearbyen

Longyearbyen ist die nördlichste dauerhaft bewohnte Siedlung der Welt. Gelegen auf der norwegischen Insel Spitzbergen. Bis zum Nordpol sind es nur noch etwa 1000 Kilometer. Und dafür, dass man eigentlich mitten in der Arktis steht, auf dem gleichen Breitengrad wie der nördliche Teil von Grönland, ist es erstaunlich warm. Milde 13 Grad misst das Thermometer Mitte Juli, kaum Wind, trockene Luft, fast wolkenloser Himmel. Die Packliste hat zu einem dicken Wollpulli geraten. Auch im Sommer. Er wird die ganze Reise im Koffer bleiben.

Auch im Hotel ist es warm, heiß sogar. Dabei läuft keine Heizung. Das mit schwarzer Dachpappe verkleidete Gebäude mit seinem großen Wintergarten heizt sich in der prallen Sonne stark auf. Türen und Fenster stehen offen, um zu kühlen. Der Gedanke, dass sich die Räume gegen Abend sicher etwas abkühlen werden, verflüchtigt sich schnell. Es gibt keinen Abend. Es gibt auch keine Nacht. Zwischen Ende April und Ende August geht in Longyearbyen die Sonne nicht unter. Sie scheint auch nachts. Und am Wochenende. Immer. Sonnencreme steht daher auch auf der Packliste.

Trotz oder gerade wegen seiner abgeschiedenen Lage ist Longyearbyen ein interessanter Ort mit reicher Geschichte. Ursprünglich wurde der Ort als Bergbausiedlung gegründet, und das wird auch nicht verheimlicht. Die alten Förderanlagen sind allgegenwärtig und die Kohlegruben an den Hängen deutlich sichtbar. Doch heute wird hier geforscht und es kommen viele Touristen. Es gibt zwei Museen, eine Universität, Hotels und den Global Seed Vault, einen Tresor für die weltweite Artenvielfalt von Pflanzensamen, der allerdings nicht besichtigt werden kann.

Für Fotografen bietet Longyearbyen im Sommer zahlreiche Motive. Die Mitternachtssonne sorgt für ausdauernde Lichtverhältnisse. Die bunten Häuser der Stadt bilden einen wunderbaren Kontrast zur umliegenden Natur und dem rauen arktischen Klima. Auch Tiere gibt es hier. Neben einigen Vogelarten fallen vor allem Rentiere und Polarfüchse auf. Nicht gerade scheue Zeitgenossen. Man kommt ihnen sehr nahe. Wenn man mit dem Boot unterwegs ist, trifft man schnell auf verschiedene Wale und in den Buchten chillen die Walrösser. Es gibt auch viele Huskies, die als Schlittenhunde gehalten werden und im Café Huskies gekuschelt werden können. Aber man sieht auch viel Nichts und große Leere. Pflanzen gibt es keine, von der kleinen Auswahl im Blumengeschäft abgesehen. Nichts wächst hier höher als ein paar Zentimeter, wenn überhaupt was wächst. Der Boden ist meist steinig und kahl.

Wer gut zu Fuß ist, hat Longyearbyen in einem guten halben Tag erkundet. Der Ort ist klein und die Wege sind kurz. Auf eigene Faust kann man nicht direkt in die Umgebung gehen. Die Schilder mit den Eisbären warnen davor. Niemand darf die Siedlungen auf Spitzbergen unbewaffnet verlassen. Die lokale Polizei ist weniger mit Kriminalität beschäftigt als damit, Touristen zu beschützen oder zu retten, die sich auf der Suche nach Eisbären in Gefahr begeben. Also, entweder man besorgt sich selbst ein Gewehr oder man bucht einen Guide, der alle guten Plätze und Wege kennt und natürlich bewaffnet ist. Eisbären trifft man im Sommer zwar eher selten bis nie, aber es ist besser, eine Waffe zu haben, als eine zu brauchen und keine zu haben. Übrigens: Einen Eisbären vorsätzlich zu töten, gilt als Mord mit entsprechenden Konsequenzen. Gleichzeitig existiert hier ein angepasstes Waffenrecht. Das tragen einer Waffe in der Öffentlichkeit ist erlaubt, in öffentlichen Gebäuden oder im Restaurant allerdings nicht mehr.

In Longyearbyen gibt es fast alles, was es auch in Hamburg-Eppendorf gibt, auch kulinarisch. Es gibt eine überraschend große Zahl an Restaurants und Bars. Niemand muss auf einen Burger oder ein Mehrgängemenü verzichten. Der örtliche Supermarkt verfügt über ein Vollsortiment an Lebensmitteln und allen anderen Dingen, die man in der Wildnis benötigt. Also auch Ananas oder Bananen. Das ist schon etwas absurd, weil man an so einem abgelegenen Ort im polaren Nirgendwo eher ein Angebot von elf Jahre alten Konserven erwartet als eine Frischetheke mit Obst.

Auf den Teller kommt dann auch mal Robbe, Rentier oder Wal. Das ist das einzige Fleisch, das auf Spitzbergen wirklich frisch und aus der Region kommt. Alles andere wird angeliefert.

Für uns ist Longyearbyen das Basislager für weitere aufregende Erkundungen auf Spitzbergen, denn es stehen unter anderem noch die verlassene Bergbausiedlung Pyramiden und die noch genutzte Bergbausiedlung Barentsburg auf dem Programm.

Der Kran auf einem der Fotos hat eine besondere Geschichte. Mein Freund und Fotograf Jonathan übernachtete vor einigen Jahren in dem damals schon verlassenen Bauwerk, um sich das Hotel zu sparen. Die ganze Geschichte und die Fotos dazu gibt in seinem Blog. Auch eine Besichtigung des Stollens Gruve 2 ist dort zu finden.

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