Bamberg ist jetzt das zweite UNESCO Weltkulturerbe innerhalb kurzer Zeit hier im Blog. Eine ungewöhnliche Häufung. Und nicht nur das; dieses hier ist auch tendenziell ähnlich mit Graffiti und Streetart durchsetzt wie die Völklinger Hütte. Würde man kaum vermuten bei einem so erzkatholisch geprägten Städtchen wie Bamberg. Aber die hohe Studentendichte sorgt offenbar dafür, dass es eine gesunde Portion Rebellion im Stadtbild gibt.
Die weiter unten folgenden Fotos sind im Rahmen eines Fotowalks entstanden. Die Idee war, das touristisch komplett erschlossene Städtchen „von hinten“ zu erkunden. Zwar schon innerstädtisch, aber dennoch weg von den Touristenpfaden. So gut das halt geht in einem touristischen Ort. Zwei befreundete Bambergerinnen wurden engagiert eine kleine Gruppe an Leuten durch ihr mehr oder weniger alltägliches Bamberg zu führen.
Was in Bamberg sofort auffällt sind die vielen Leichen in den Straßen. Als aufgeklärter Mitteleuropäer mit wenig Interesse an Geschichte kann ich den folgenden Umstand nicht anders interpretieren. Denn da kommt man wirklich auf die Idee, tote, halbnackte, an Holz genagelte Männer gut sichtbar und schmückend im kompletten Stadtbild zu verteilen. Eine bizarre Szenerie, die offenbar kaum jemanden stört. Ich kam mir jedenfalls etwas vor wie in einem Zombiefilm.
Geschichtliche bzw. religiöse Traditionen leben in Bamberg offenbar recht nah an der zeitgenössischen Realität. Zu sehen ist das vielleicht nicht so direkt, aber das schöne bei Touren mit einheimischen Guides sind nicht nur die kleinen Geheimtipps, sondern auch die Stories aus dem Alltag. Und Alltag ist kein Spaß in Bamberg, insbesondere nicht für hübsche Studentinnen. So war z.B. zu vernehmen, dass der Pöbel auf der Straße gerne mal maßregelnd zur Wortkeule greift, wenn der Rock zu kurz ist, das Kleid zu bunt, der Mund zu offen oder die Gerüchte vom letzten Wochenende zu obszön. Auch werden krasse Verstöße gegen Recht und Ordnung, wie das unerlaubte Überqueren einer Straße bei rotem Ampellicht, mit verbaler lebendiger Häutung geahndet. Solche Geschichtchen passen wunderbar in mein Bild einer katholischen Enklave.
Es ist natürlich nie gut sich als Tourist zu outen. Wo auch immer. Mit einer dicken Kamera vorm Bauch konnte man aber den Eindruck, ein Tourist zu sein, an diesem Tag nur schwer unvermittelt lassen. Und so kam es dann wirklich zu der Situation von Anfeindungen am helllichten Tag. Mitten auf einem verkehrsberuhigten Weg in unmittelbarer Ufernähe mussten wir uns von einem älteren Autofahrer beschimpfen lassen, der Verzögerungen bei seiner Reisetätigkeit nicht hinnehmen wollte. Wir stünden im Weg. Eine weitere Passantin schaltete sich geistesgegenwärtig ein und gab uns zu verstehen, dass man als Tourist auch in Bamberg nicht alles dürfe, vor allem nicht dort sein. An Touristenfeindlichkeit kann Bamberg locker mit Berlin mithalten.
Aber Bamberg hat auch schöne Ecken. Wir haben es hier in der Tat mit einem Städtchen mit Flair zu tun. Es drücken sich leicht Tränen in die Augen wenn man sich vorstellt, wie Nürnberg heute aussehen könnte, wäre das Stadtbild nicht kriegerischen Aggressionen und geschmacklosem Wiederaufbau ausgesetzt gewesen. Selbst abseits der Touristenpfade zeigt sich die Stadt nicht wirklich unhübsch. Und es zeigt sich ein gewisser Hang zu Graffiti und Streetart. Sind mir bei einem Besuch vor Jahren bereits kleinere Werke in den Gassen aufgefallen, so wurden uns auf unserem Walk noch weitaus größere Arbeiten offenbar. Bamberg hat nur ein Siebtel der Größe Nürnbergs, aber gefühlt doppelt so viel Urban Art im öffentlichen Raum, selbst in der Altstadt. Und das in einem katholisch geprägten Nest! Das protestantische Nürnberg darf sich da gerne mal eine Scheibe abschneiden.
Es folgt eine Bilderserie des Fotowalks. Danke an Manu und Niko!
ps: Nürnberg hat nach wie vor kein When you really live in… -Tumblr, Bamberg dagegen schon.