Fototouren [Ungeschminkt]

Auto vor Wohnung (Nürnberg Impressionen #11)

Fototouren sind für mich eine schöne Art zu entspannen und die Zeit zu vertreiben. Sie sind meist auch nicht so passiv wie ein Abend vor dem Fernseher. Solche Ausflüge müssen nicht notwendigerweise alleine stattfinden. Es ergibt sich gerne mal, dass man zu zweit oder seltener auch in einer Gruppe durch die Gegend zieht und dann natürlich neben den eigenen Beobachtungen auch direkt mit den Entdeckungen der Mitläufer konfrontiert ist.
Bei meinen Touren ist es immer so, dass nichts unkommentiert bleibt. Ich fühlte mich somit auch schon mal dem Feedback von Freunden ausgesetzt, die auf einmal ein Interesse an Architektur und deren Bedeutung gewonnen haben. Sachen, die ihnen vor wenigen Jahren noch völlig egal waren, gelangen auf einmal in ihr Bewusstsein. Das schmeichelt mir natürlich.
Eine typische Diskussion auf solch einer Tour, in diesem Beispiel durch Maxfeld, entzündete sich an der Frage, warum es immer wieder vorkommt, das der Fuhrpark in gewissen Vierteln, repräsentiert durch all die parkenden Vehikel, so gar nicht zu den Wohnungen passt. Wie in dem Bild zu sehen, herrscht ein eklatantes Missverhältnis zwischen der eher billig oder altmodisch wirkenden Hausfassade und dem eher hochwertigen Auto. Es gibt natürlich keinen Beweis dafür, dass das Auto überhaupt zu einem der Bewohner gehört, aber wer ein solches Auto dort parkt, muss sich die Frage nach dem Warum gefallen lassen. Wer ein solches Auto besitzt, möchte sich neben dem eigentlich Zweck der Fortbewegung auch ein Stück weit mit der Außenwirkung des Wagens repräsentiert wissen. Autos sind, oder waren es zumindest bevor es Smartphones gab, Statussymbole. In diesem Fall wirft aber das Statussymbol die Frage auf, was es da soll. Ist es nur zu Besuch? Wer soll beeindruckt werden? Zu welchem Zweck? Und wieso ist das Haus kein Statussymbol, wo man wohnend doch viel mehr Zeit verbringt als im Auto. Wieso repräsentiert man sich viel lieber mit dem Auto als mit dem Haus? Oder repräsentieren sich die Bewohner bewusst auf diese Art? Was läuft da schief? Wären viele Stadtviertel nicht vielleicht einfach hübscher, wenn das Haus – und wenn‘s nur die Mietwohnung ist – viel mehr Statussymbol wäre? Ist die Werbung schuld? Ist der Sprit zu teuer, um das Auto bis zur Villa am Stadtrand zu fahren?
Und schon ist aus der gemütlichen Feierabendfototour eine Diskussion über den Zustand der Gesellschaft geworden. Antworten finden sich meist keine, aber wären wir vorm Fernseher sitzen geblieben, hätten wir auch keine Antworten auf all die offenen Fragen zu unserer Gesellschaft bekommen. Und so waren wir wenigstens zusammen an der frischen Luft.

 

Hintergrund
Für den Verlag Nürnberger Presse erstöber ich einmal im Monat eine „ungewöhnliche Stadtansicht“ und erdenke mir einen Text dazu. Beides erscheint dann  im Stadtanzeiger, der Beilage der NN und NZ. Der Name der Fotokolumne ist „Ungeschminkt“. Einen Tag nach der Veröffentlichung in der Zeitung erscheint Bild und Text auch hier im Blog.

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