Damals in der Speicherstadt

Ken Widenz – Trügerischer Schein (flickr CC BY ND)

Bis in die 90er sind wir regelmäßig in die ganzen Speicher geschlichen – hatten zeitweilig ungehinderten Zugang zu diversen Lagern und Büros. Ich kannte die ganzen Gänge durch meinen Vater. Unter den Speichern konnte man durch lange Gänge bis zum Fleet. Von dort über eine Wendeltreppe bis auf alle Dächer. Wir sind häufig dort gewesen, wenn irgendwelche Open-Air-Konzerte an der Elbe stattgefunden haben. Zusammen mit dem Sonnenuntergang über der Speicherstadt – unbezahlbar. Oder zu Ostern nach dem Brunch über den Dächern dort noch Eier suchen – klasse. Damals ging es auch noch, sich ein liegendes Boot zu ‚leihen‘ und damit nachts durch die dunklen Fleete zu rudern, um es woanders wieder fest zu machen. Tags darauf wurde dann in der Bild daraus ein krasser Diebstahl gemacht und die wildesten Verschwörungstheorien für einen geplanten Bankraub gemacht. Wenn ich das jetzt alles als Foto & Film hätte…

Zitat aus einem privaten Chat mit einem Unbekannten in einem kleineren sozialen Netzwerk. Ich dachte, ich teile das mal mit euch. In jeder Stadt gibt es diese mystischen Phasen zwischen den Zuständen. In Hamburg war die Speicherstadt beispielsweise zwischen dem Ende des Freihafens und vor dem Bau der HafenCity in so einer Phase. Oder großes Beispiel: Berlin. Die Zeit nach der Wende, als noch niemand so richtig wusste, was der Wegfall der Grenze überhaupt für die Stadt zu bedeuten hatte. Die alte Nutzung eines Ortes war weg und die neue noch nicht da. In solchen Zeitfenstern entstehen die besten Geschichten, erlebt von Leuten, die die zwischenzeitliche Leere zu nutzen wissen. Die Orte und Freiräume existieren typischerweise nur für einen kurzen Moment und verschwinden dann unwiederbringlich. Nichts ist für die Ewigkeit. Am Ende bleiben wunderbare Erinnerungen und Erlebnisse, die anders überhaupt nicht möglich wären.

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